lizenz zum scheitern – oder warum es ein fehler ist, fehler vermeiden zu wollen

"Das erste Unternehmen, das ich gegründet habe, ist mit einem großen Knall gescheitert.

Das zweite Unternehmen ist ein bisschen weniger schlimm gescheitert, aber immer noch gescheitert. Und wissen Sie, das dritte Unternehmen ist auch anständig gescheitert, aber das war irgendwie okay.

Ich habe mich rasch erholt, und das vierte Unternehmen überlebte bereits.

Es war keine großartige Geschichte, aber es funktionierte.

...... Nummer fünf war dann Paypal.“


Noch lässiger als Max Levchin, Mitbegründer des Online-Bezahldienstes Paypal, kann man es fast nicht sagen: 

"Scheitern gehört dazu und ist Voraussetzung für künftige Erfolge"

 

Jedoch über Fehler zu reden, fällt immer dann leicht, wenn man sie - im Nachhinein - zum Teil der eigenen Erfolgsgeschichte machen kann (Levchin verkaufte zwei Jahre nach der Gründung von Paypal die Firma für 1,5 Milliarden Dollar an Ebay!).

 

Mittlerweile ist es in einigen Kreisen „hip“ und „Silicon-Valley-like“ über das Scheitern zu sprechen.

Zum Beispiel erfreuen sich Failnights bzw. Epic Fail Nights (anderswo auch unter dem Namen Fuckup Nights bekannt) großer Beliebtheit. Das sind Erzählabend zum Thema Scheitern mit Vorträgen, die lehrreich sein können oder einfach unterhaltsam mit Themen wie Insolvenzen, unpassende Geschäftspartner oder die richtige Geschäftsidee zum völlig falschen Zeitpunkt. 

Kein Wunder! Wir hören gerne Stories, wie andere Scheitern und was sie aus den Fehlern gelernt haben und bewundern diese Offenheit.

  • Aber Hand auf´s Herz: Trotzdem tun wir fast alles, um eigene Fehler zu vermeiden.

Wir stellen uns vor, was schiefgehen könnte und überlegen, wie wir es verhindern.

Und machen wir Fehler, fühlen wir uns beschämt, quälen uns mit Selbstvorwürfen und fürchten Bloßstellung und Ärger.

Piloten, Formel-1-Fahrer, Chirurgen, Konzertpianisten und viele andere mehr sind umso besser, je fehlerfreier sie arbeiten.

 

Aber in den meisten Feldern von Wirtschaft und Gesellschaft ist die höchste Qualitätsmaxime nicht Fehlerfreiheit, sondern gute Lösungen für Herausforderungen zu finden. Leider haben wir dafür keine Patentrezepte und Standardprozesse, die uns Fehlervermeidung erleichtern. 

 

Warum tun wir uns dann trotzdem im Arbeitsleben (und privat) so schwer, die Lebensweisheit „Aus Fehlern lernt man“ oder „Aus Schaden wird man klug“, ganz praktisch zu beherzigen?

 

  • Deutschland belegt in Sachen Fehlerkultur den 60. Platz in einem Vergleich mit 61 Ländern.

Schlechter schneidet nur Singapur ab. Dies ergab eine Studie der Leuphana Universität Lüneburg mit dem Schwerpunkt Innovationsforschung und Entrepreneurship (Fischer, S., Frese, M., Mertins, J. C. & Hardt-Gawron, J. V. (2018). The role of error management culture for firm and individual innovativeness).

Diese Intoleranz gegenüber Fehlern hat etwas Positives:

Deutsche Organisationen und Unternehmen sind ziemlich gut in der Vermeidung von Fehlern.

Wenn aber doch etwas schiefgeht, beginnen die Probleme:

Unsere “Fehler-Kultur“ verhindert, dass Fehler frühzeitig erkannt und pragmatisch bearbeitet werden – und dass alle Beteiligten daraus lernen. 

 

Wie können wir akzeptieren, das Scheitern keinen Spaß macht, aber auch nicht den Untergang bedeutet und uns im Gegenteil voranbringt?

Zwei Tatsachen können uns helfen: 

  1. Tatsache No. 1: In unserer komplexen (Arbeits-)Welt müssen wir experimentieren, ausprobieren, den Versuch wagen und mit dem Irrtum rechnen. Wo mit Ideen und Innovationen gearbeitet wird, wo man in Neues investiert, gehört das Irren und Fehlen zur Grundausstattung. "Fehler machen" wird zum „neuen normal“.
  2. Tatsache No. 2: Fehler zu vermeiden, kostet viel Energie und ist eigentlich nicht effizient. Trotz (wegen ?) unserer fleißigen Vermeidungsbemühungen machen wir doch Alle weiterhin immer und überall Fehler.  Und eigentlich ist eher überraschend, wie wir es schaffen als Menschen – und Firmen – uns kontinuierlich zu verbessern und zu verändern, trotz (oder gerade wegen?) unserer massenhaften Fehlschläge.

Was also tun? Hier sind 5 Möglichkeiten:

 

A  Arbeiten in Netzwerken und Teams

 

Die oben zitierte Studie hat herausgefunden, das Kulturen, denen es sehr wichtig ist

  • Unsicherheiten zu vermeiden
  • die wenig fatalistisch sind
  • die klare Normen und Sanktionen haben

besonders gut in der Vermeidung von Fehlern sind.

Kulturen, in denen

  • Fairness eine große Rolle spielt
  • in denen die Gemeinschaft wichtiger ist als das Individuum

sind dagegen besonders gut im Entdecken und im Management von Fehlern

In engen Netzwerken fallen Pannen schneller auf, und Informationen werden rascher weitergegeben, außerdem sind Schuldzuweisungen an Einzelne dort, aufgrund der Bedeutung der erlebten Gemeinschaftsleistung als Team, seltener und Ängste vor Konsequenzen geringer.

 

 Stärken sie also Teamarbeit, ein Arbeiten in Netzwerken und generell ein Miteinander, wo es nur geht!

 

B Gemeinsam zurückblicken

 

Fehler sind nicht immer eine Vorstufe des Erfolges oder gar eine Erfolgsgarantie, denn nur das Benennen der Fehler reicht nicht.

Erkenntnisse und Lerneffekte stellen sich erst ein, wenn man sich gründlich mit sich und den Verhältnissen beschäftigt, die zum Misserfolg beigetragen haben.

Dabei ist das Wissen darüber, was nicht geht und warum, überaus wertvoll.

Mitarbeiter müssen also reden und gemeinsam versuchen zu verstehen, was genau passiert ist.

Verschiedene Perspektiven und Ideen entlasten den Einzelnen in unserer komplexen Arbeitswelt und fördern Erkenntnisse für alle Beteiligten.

Wie wäre es zum Beispiel einen regelmäßigen Termin zu machen, in dem sie und ihr Team gemeinsam zurückblicken.

Sprechen sie von ihren Erkenntnissen der Woche: “Warum und was können wir anders oder besser machen?”

Diese Offenheit fördert eine „Lernkultur“, weil es selbstverständlich wird, über vermeintliche Fehler zu sprechen - ohne Schuldzuweisungen.

Fangen sie als mutige Chef/Chefin an! Das ist der beste Turbo für jede Veränderung. 

 

C Menschen machen lassen

 

Wer macht, macht Fehler – und sammelt so Erfahrungen.

Im Vorhinein wissen wir oft gar nicht, was richtig und was falsch ist und dennoch müssen wir handeln.

Dann befinden wir uns in einem Experiment und Fehler sind misslungene Experimente /ein gescheiterter Versuch / ein fehlgeschlagener Test, der uns wichtige Informationen und Erkenntnisse auf dem Weg zur Lösung ermöglicht.

Nicht mehr und nicht weniger.

So funktioniert Forschung!

Gehen sie „emotionsloser“, dafür aber logischer und rationaler mit dem Thema Scheitern um.

Scheitern ist eine Möglichkeit, dessen Risiko man kalkulieren sollte, ganz nüchtern!

Ermutigen sie ihre Mitarbeiter, sich als Forscher und Macher statt als Erfüllungsgehilfen zu verstehen. Und dann treten sie einen Schritt zurück und "lassen sie machen".

 

D Schnell Feedback fordern und geben

 

Einfordern und aktives Erleben von Fehlern/Irrtümern auf Basis eines Feedbacks – ob vom Kunden, Teammitgliedern, Vorgesetzten ….. hilft.

Es deckt Fehler auf und erschwert uns, in unseren Komfortzonen aus Wegducken, Leugnen, Schönreden im Umgang der eigenen Fehlern zu verharren. Das könnte auch ein Grund sein, warum dieses wertvolle Tool Feedback nach wie vor wenig zum Einsatz kommt!

Konstruktiv ist Feedback, wenn es nach Regeln funktioniert und nicht mit „in die Pfanne hauen“ verwechselt wird.

Lernen Sie also zielführend Feedback zu geben und zu erhalten (siehe Blog Feedback  und auch hier).

Das schaffen wir nur, wenn wir Bewertungen vom Scheitern, eigene und gesellschaftliche, außen vor zu lassen. Und damit kommen wir zu 

 

E (Selbst)Vertrauen haben

 

Die Antwort steckt in einem einfachen Satz, der schwer zu beherzigen ist:

"Ich habe versagt, aber ich bin kein Versager".

Über eignen Fehler zu sprechen, aber seinen Selbstwert nicht ans Richtigmachen knüpfen – das ist die Kunst.

Wer Fehler zugibt, der zeigt Verletzlichkeit.

Das wird er nur tun, wenn es im Team einen „Raum der Sicherheit und des Vertrauens“ gibt, in dem niemand aufgrund einer Fehlleistung ausgeschlossen und sanktioniert wird!

Aufgabe von Führung ist es, diesen Raum zu gestalten. Dafür gibt es jedoch keine Handbuch oder Patentrezept.

Und besitzen Sie noch keine solchen "Raum" in Ihrer Firma und wollen aber die "Lernoptionen" Ihres Teams im Fehlermanagement erweitern, betreten Sie automatisch „kulturelles Neuland“:

  • Glückwunsch, Ihr Experiment kann beginnen! Sie werden unvermeidbar zu 99,9 % Fehler machen.

Sprechen sie mit den Beteiligten über diese Erkenntnisse des "misslungenen Experiments" und lernen sie, es besser zu machen!

Es lohnt sich, denn ich bin überzeugt:

  • Jedes Unternehmen ist nach jedem gescheiterten Versuch ein kleines bisschen besser als zuvor.

Und Fehler können auf unvorhersehbare Weise nützlich sein:

  • weil sie Möglichkeiten eröffnen, an die man nie gedacht hätte, weil sie zu Variationen führen, die man nicht planen kann, weil sie ein unermessliches Potenzial an Kreativität bergen. Und davon brauchen wir mehr denn je!